Studie: 90 Prozent sind für eine sozial gerechtere Klimapolitik
Dieser Text ist eine Pressemitteilung der Friedrich-Ebert-Stiftung vom 22.05.2024. Das SINUS-Institut führte die Studie durch.
Eine große Mehrheit der Menschen in 19 Ländern der EU und Nordamerikas findet, die Politik müsse den wirtschaftlichen Wandel sozial gerechter gestalten. Das ergibt eine repräsentative Bevölkerungsbefragung, die das SINUS-Institut für die Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführt hat.
Eine deutliche Mehrheit der Befragten in Deutschland hält den Klimawandel für ein sehr wichtiges Thema (Auf einer Skala von 0-10 geben 59 Prozent 8-10 an). Ängste vor extremen Wetterereignissen, Artensterben und Wassermangel sind weit verbreitet. Gleichzeitig rangieren Umwelt-, Natur – und Klimaschutz nur auf Platz vier (40 Prozent), wenn nach den wichtigsten Themen gefragt wird, um die sich die Politik kümmern soll. Ganz oben stehen Inflation und sinkende Kaufkraft (47 Prozent), dahinter sichere Energieversorgung und bezahlbare Energiepreise (46 Prozent) und faire Renten und Altersvorsorge (44 Prozent).
Im internationalen Vergleich gibt es hier teils deutliche Unterschiede in der Gewichtung. Zwei Drittel der Befragten in Deutschland 67 Prozent) stimmen der Aussage zu, „Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz [seien] sozial ungerecht, da sie vor allem Geringverdienende belasten“. Die Zahlen zeigen, dass davon ausgegangen werden kann, dass klimapolitische Maßnahmen vor allem dann kritisch gesehen oder gar abgelehnt werden können, wenn sie geeignet sind, den Preisdruck zu verstärken und persönliche Nachteile zu erwarten sind.
Zustimmung ist dort am höchsten, wo der Staat fördert
Die Zustimmung zu einzelnen Maßnahmen ist dementsprechend dort am höchsten, wo staatliche Förderung gegeben ist oder keine Nachteile erwartet werden. So befürworten 91 Prozent der Befragten eine Reduzierung der Preise für den öffentlichen Nahverkehr. 74 Prozent befürworten einen konsequenteren Umstieg auf erneuerbare Energien. Wenn es konkret darum geht, wie die Wärmewende vonstattengehen soll, so befürwortet eine Mehrheit von 66 Prozent staatliche Förderungen als Mittel. Dabei gibt es zwischen einzelnen Milieus durchaus relevante Unterschiede.
Mehrheit wünscht sozial gerechten Wandel der Wirtschaft
„Als Friedrich-Ebert-Stiftung wollten wir nicht nur herausfinden, welche Wahrnehmungen, Interessen und Befürchtungen die Menschen mit der sozial-ökologischen Transformation verbinden, wo es breite Zustimmung gibt und wo etwa Barrieren lauern. Wir wollten darüber hinaus untersuchen, wie ausgeprägt unterschiedliche soziale Milieus für klimapolitische Maßnahmen empfänglich sind, beziehungsweise, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit einer Maßnahme zugestimmt wird.“, sagt Claudia Detsch, die das Studienprojekt bei der Friedrich-Ebert-Stiftung leitet. „Unsere Studie zeigt, dass die Menschen mehrheitlich für konsequente Klimaschutzmaßnahmen sind. Sie lehnen es jedoch ab, bevormundet zu werden. Und ganz deutlich wird, dass sich eine große Mehrheit einen sozial gerechten Wandel unserer Wirtschaft und unserer Lebensweise wünscht. Die Politik muss zudem ihre Maßnahmen besser erklären. Wenn die Politik bestimmte Milieus überzeugen oder zumindest nicht verlieren will, dann kommt sie um eine staatliche Förderung des sozial ökologischen Umbaus nicht herum.“
Methodik
Das Kompetenzzentrum Klima und soziale Gerechtigkeit der Friedich-Ebert-Stiftung hat eine Bevölkerungsbefragung durch das SINUS-Institut durchführen lassen. Die Umfrage umfasst 19 europäische und nordamerikanische Länder: Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kanada, Kroatien, Polen, Portugal, Rumänien, Serbien, Slowakei, Spanien, Schweden, Tschechien, Türkei, Ungarn, das Vereinigte Königreich und die USA. Das Studiendesign basierte auf quantitativen, bevölkerungsrepräsentativen Befragungen mit einer Stichprobengröße von mindestens 1.200 Personen zwischen 18 und 69 Jahren je Land (insgesamt 22.823 Fälle). Befragungszeitraum: 20.04. – 23.05.2023. Dabei bestand das Ziel der Erhebung nicht allein darin, ein Panorama der klimapolitischen Einstellungen entlang der klassischen soziodemographischen Kriterien zu erfassen. Vielmehr sollte zusätzlich untersucht werden, wie ausgeprägt unterschiedliche soziale Milieus für klimapolitische Maßnahmen empfänglich sind bzw. welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen. Hierfür wurde das Zielgruppenmodell der international vergleichbaren Sinus-Meta-Milieus in das Erhebungsdesign integriert und zusätzlich 29 Statements abgefragt, die typische Werthaltungen unterschiedlicher Lebenswelten der Befragten repräsentieren.
Die vollständige Studie, den Länderbericht Deutschland und den internationalen Vergleich, sowie weitere Informationen, unter anderem zur Methodik finden Sie auf der Website der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Ergänzung SINUS-Institut
In einem Projekt-Abschlussbericht werden Handlungsempfehlungen für Governance und Public Policy formuliert.
Für eine eingehendere Analyse wurde das internationale Zielgruppen- und Gesellschaftsmodell der Sinus-Meta-Milieus in die Länderbefragungen integriert. Durch die soziokulturelle Differenzierung konnte herausgearbeitet werden, welche sozialen Milieus für klimapolitische Maßnahmen (besonders) empfänglich sind und welche Bevölkerungsgruppen einen sozial-ökologischen Wandel kritisch-zurückhaltend bis ablehnend gegenüberstehen.
Auf Basis der Befunde wurde analysiert, wie gesellschaftliche Barrieren überwunden und Resonanzpotenziale (Präferenzen, Werte, Aktivitäten etc.) genutzt werden können, um bei dem Übergang zu nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsweisen möglichst viele Menschen von klimapolitischen Maßnahmen zu überzeugen, gesellschaftliche Konflikte gering zu halten und Demokratien nicht zu destabilisieren, sondern möglichst zu stärken.