Studie: Deutsche beklagen mangelnde Berücksichtigung der Bedürfnisse von Kindern
In drei Tagen wird der alljährliche Weltkindertag begangen. Der Tag soll auf die Rechte und Bedürfnisse von Kindern aufmerksam machen. Doch wie bewerten die Deutschen eigentlich die Kinderfreundlichkeit hierzulande? Worin wird diesbezüglich der größte politische Handlungsbedarf gesehen? Wie wird die Armutsgefährdung unserer Kinder eingeschätzt? Und wie wird es den Kindern in der Zukunft ergehen? Diesen und weiteren Fragen ist das SINUS-Institut in Kooperation mit YouGov anlässlich des Weltkindertages am 20. September in einer repräsentativen Online-Studie nachgegangen.
Ist Deutschland ein kinderfreundliches Land? Bevölkerung ist gespalten
Nur eine knappe Mehrheit von 53% der Deutschen stuft Deutschland als ein kinderfreundliches Land ein. Dabei zeigt sich ein Alterseffekt: Je jünger die Befragten, desto positiver fällt diese Bewertung aus (18-29 Jahre: 65%; 60-69 Jahre: 49%). Keine Rolle spielt hingegen, ob die Befragten Kinder unter 18 Jahren haben (54% Zustimmung) oder nicht (53%). Ebenso zeigen sich keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern in der Bewertung der Kinderfreundlichkeit (jeweils 53 %).
Knapp 3 von 5 Deutschen (58%) sind allerdings der Ansicht, die Bedürfnisse der Kleinen kämen während der Corona-Krise zu kurz. Eltern von minderjährigen Kindern vertreten diese Meinung überdurchschnittlich häufig (67%). Folgerichtig sieht eine knappe Mehrheit (57%) Handlungsbedarf in der Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz. Weiterhin finden zwei Drittel (64%) der Deutschen den Weltkindertag wichtig, der auf die Rechte und Bedürfnisse von Kindern aufmerksam macht.
Dies sind die Ergebnisse einer repräsentativen Online-Studie des SINUS-Instituts in Zusammenarbeit mit YouGov, für die 2.212 Personen zwischen 18 und 69 Jahren befragt wurden.
Kinderfreundlichkeit wird in Österreich deutlich besser eingestuft
Eine parallel durch den SINUS-Partner INTEGRAL Marktforschung durchgeführte Studie in Österreich zeigt: 82% unserer Nachbarn stufen ihr Land als kinderfreundlich ein, während dies nur 53% der Deutschen für ihr Land so sehen. Auch die Rechte der Kinder werden bei unseren Nachbarn besser bewertet als hierzulande: 85% der Österreicher sind der Ansicht, dass es bei ihnen um Kinderrechte besser bestellt ist als in den meisten anderen Ländern, während 77% der Deutschen dies für die Situation in Deutschland bekunden. Diese Länderunterschiede können darauf zurückzuführen sein, dass Kinderrechte in Österreich – im Gegensatz zu Deutschland – bereits in der Verfassung verankert sind.
Politischer Handlungsbedarf wird vor allem beim Schutz vor sexuellem Missbrauch und Gewalt gesehen
Bei der Bewertung der politischen Handlungsbedarfe zeigt sich ein Alterseffekt: Je älter die Befragten, desto stärker wird die Politik in die Pflicht genommen. Hingegen zeigen sich nur geringe Unterschiede zwischen Frauen und Männern oder zwischen Eltern und Kinderlosen.
Und die Wunschliste an die Politik ist lang: Den größten Handlungsbedarf verorten die Deutschen mit 73% beim Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch, gefolgt vom Schutz von Kindern vor Gewalt (72%) sowie bei der Bereitstellung von Kinderbetreuungs-Plätzen, der Gleichheit von Bildungschancen und dem Schutz vor Kinderarmut (jeweils 68%).
Fakten statt Mythen: Bedrohung durch Kinderarmut wird in der Bevölkerung überschätzt
Doch wie steht es tatsächlich um Kinderarmut in Deutschland? Die Befragten schätzen, dass 30% der Kinder in Deutschland von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind. Die (relativ) gute Nachricht: Laut aktuellen Zahlen von Eurostat, dem Statistischen Amt der EU, liegt der tatsächliche Anteil von Kindern, die in Deutschland von Armut bedroht sind, mit 17% (2018) deutlich niedriger als von den Deutschen angenommen.
Die Einschätzung der Zukunftsaussichten der Kinder ist vor allem von Klimawandel und ökonomischen Herausforderungen geprägt
Die Deutschen wurden auch um eine Einschätzung gebeten, mit welchen Herausforderungen heutige Kinder zukünftig konfrontiert werden würden. Der Befund: Die junge Generation wird es aus Bevölkerungssicht nicht leicht haben. Verglichen mit den heutigen Erwachsenen wird vermutet, dass sie vor allem die Folgen des Klimawandels stärker zu spüren bekommen (78% Zustimmung) und öfter mit Pandemien konfrontiert sein werden (64%). Auch wird befürchtet, dass Kinder es später schwerer haben werden, einen Job zu finden (56%). 47% der Deutschen hegen die Hoffnung, dass Kinder einen höheren Lebensstandard genießen werden, und nur 32%, dass sie in einer sozial gerechteren Gesellschaft leben werden. Einig ist man sich wiederum, dass Kinder künftig in einer vielfältigeren Gesellschaft leben werden (76%).
„Bisher galt das Versprechen: Nachfolgenden Generationen wird es bessergehen als ihren Eltern oder Großeltern. Doch dieses Versprechen wackelt angesichts vielfältiger Problemlagen, wie z.B. Klimawandel, geopolitischen Veränderungen oder demografischem Wandel. Es ist zu befürchten, dass es künftigen Generationen nur noch genauso gut oder sogar schlechter gehen wird wie ihren Eltern oder Großeltern“, so Manfred Tautscher, Geschäftsführer des SINUS-Instituts.
Methodischer Hinweis
Die verwendeten Daten beruhen auf einer Online-Umfrage der YouGov Deutschland GmbH, an der 2.212 Personen zwischen dem 13. und 24.08.2020 teilnahmen. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.
Über das SINUS-Institut
Die SINUS Markt- und Sozialforschung GmbH mit Standorten in Heidelberg und Berlin, ist seit über 40 Jahren Spezialist für psychologische und sozialwissenschaftliche Forschung und Beratung. Das Institut entwickelt Strategien für Unternehmen und Institutionen, die den soziokulturellen Wandel als Erfolgsfaktor nutzen.
Ein zentrales Tool dafür sind die Sinus-Milieus® - ein Gesellschafts- und Zielgruppenmodell, das Menschen nach ihren Lebenswelten in „Gruppen Gleichgesinnter“ zusammenfasst. Die Sinus-Milieus® zählen seit Jahrzehnten zu den bekanntesten und einflussreichsten Segmentationsansätzen und sind mittlerweile für über 40 Länder verfügbar.
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